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Unser Kollege Jassin Queiroz de Souza stellt sich vor

Interview mit Jassin Queiroz de Souza - Mitarbeiter in der Männer*beratung seit 08/2025

Was hat dich motiviert, in der Beratungsstelle zu arbeiten?

Zum einen die Unterstützung von männlichen* Betroffenen sexualisierter Gewalt, die mit der Männer*beratung Mainz nun eine spezifische Anlaufstelle haben, an die sie sich wenden können. Es ist für Männer und TIN-Personen ohnehin schon schwer, über dieses Thema zu sprechen, da es noch immer stark von Stigmatisierung und Tabuisierung geprägt ist. Bisher gab es jedoch kaum ein entsprechendes Hilfeangebot, an das sie sich hätten wenden können.
Dass sich der Frauen*notruf dazu entschlossen hat, seine Expertise im Bereich sexualisierter Gewalt zu nutzen, um diese Lücke zu schließen, fand ich sehr unterstützenswert und ich wollte gerne etwas zu diesem Projekt beitragen!
Zum anderen finde ich es großartig, dass wir neben der Beratung von Betroffenen auch politisch aktiv sind und versuchen, auf die patriarchalen Strukturen aufmerksam zu machen, die sexualisierte Gewalt begünstigen, und dagegen vorzugehen. Diese Facette fehlte mir in anderen Bereichen der psychosozialen Arbeit manchmal.

Was ist dir in der Begegnung mit Betroffenen besonders wichtig?

Besonders wichtig ist mir, dass die Betroffenen, die zu uns in die Beratung kommen, das Gefühl haben, mit ihren Gefühlen und Erfahrungen ernst genommen zu werden. Außerdem sollen die Themen im Vordergrund stehen, die für sie im Moment am wichtigsten oder dringendsten sind. Nicht ich gebe vor, worüber wir sprechen oder was als Nächstes zu tun ist, sondern die betroffene Person bestimmt die Themen und behält die Kontrolle über die anstehenden Schritte.
Die Bedürfnisse und Anliegen variieren stark, und hier in der Beratung haben wir den großen Vorteil, dass wir nicht streng an Vorgaben oder feste Abläufe gebunden sind. So können wir individuell auf die jeweilige Situation eingehen.

Welche Werte oder Erfahrungen bringst du mit?

Neben meinem Studium habe ich ehrenamtlich beim Kinder- und Jugendtelefon (Nummer gegen Kummer) gearbeitet und kam dort erstmals mit dem Thema sexualisierte Gewalt in Kontakt. Dort erlernte ich die humanistische Beratungshaltung, die einen ressourcenorientierten und betroffenenzentrierten Ansatz verfolgt; Werte die ich auch in meine Tätigkeit in der Männer*beratung einfließen lasse.
Am Telefon machte ich erste Erfahrungen mit Betroffenen sexualisierter Gewalt und bekam einen Eindruck von den weitreichenden Folgen und dem Leidensdruck, den solche Erfahrungen mit sich bringen können. Gleichzeitig wurde mir dort bewusst, wie hilfreich unterstützende Angebote, etwa durch Beratungsstellen, sein können, um mit den negativen Folgen besser zurechtzukommen.
Was mir bei meiner Arbeit außerdem wichtig ist und sehr hilft, ist eine feministische Grundhaltung, die auf der Überzeugung beruht, dass patriarchale Strukturen und Rollenbilder sexualisierte Gewalt begünstigen und allen Geschlechtern bzw. Menschen schaden.

Welche Themen und Anliegen bringen Betroffene mit?

Betroffene kommen mit sehr unterschiedliche Anliegen in die Beratung. Das macht die Beratungsarbeit spannend und vielseitig, aber manchmal auch herausfordernd, da man immer wieder an die Grenzen der eigenen Expertise stößt. Dann gilt es, gemeinsam mit Kolleg*innen, anderen Einrichtungen und nicht zuletzt den Betroffenen selbst Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden.
Deshalb sind Vernetzungsarbeit mit anderen Beratungsstellen sowie kontinuierliche Weiterbildung, sowohl individuell als auch im Team, ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit.

Wie läuft die Beratung ab?

In der Regel läuft es so ab, dass sich Betroffene telefonisch bei uns melden, nachdem sie über das Internet oder über andere vernetzte Stellen auf uns aufmerksam geworden sind. In diesem ersten Gespräch wird meist kurz besprochen, worum es im Anliegen geht, und anschließend ein Termin für ein Beratungsgespräch vereinbart.
Das kann in Präsenz bei uns in der Beratungsstelle oder telefonisch stattfinden, je nachdem was die Betroffenen bevorzugen.
Im Beratungsgespräch wird gemeinsam besprochen, welche Anliegen die Person mitbringt, wie unser Unterstützungsangebot aussieht und was sie von uns braucht. Wir bieten bis zu sechs Beratungstermine an, mit einer Möglichkeit der Verlängerung, und versuchen in dieser Zeit, die Betroffenen zu stabilisieren und falls nötig an passende Stellen wie Therapeut*innen oder Rechtsberatungen weiterzuvermitteln.

Was unterscheidet die Männer*beratung von anderen Unterstützungsangeboten?

Ich würde sagen vor allem, dass sie anonym und kostenfrei ist. Das senkt die Hemmschwelle erheblich, die viele Betroffene davon abhält, sich Hilfe zu suchen.
Sie wissen, dass sie bei uns weder eine Diagnose benötigen noch von ihnen erwartet wird, rechtliche Schritte einzuleiten. Im Mittelpunkt steht ausschließlich, was die Betroffenen in ihrer individuellen Situation brauchen. Sie erhalten den Raum, sich mit den gemachten Erfahrungen und deren Folgen auseinanderzusetzen, wenn sie das möchten.
Von anderen Beratungsstellen unterscheidet uns außerdem, dass wir speziell Männer und TIN-Personen mit Erfahrungen sexualisierter Gewalt beraten. Diese Betroffenengruppe steht häufig vor besonderen Herausforderungen, die eng mit gesellschaftlichen Männlichkeitsnormen und patriarchalen Strukturen verknüpft sind. In der Männerberatung finden sie Fachwissen und Expertise, die genau auf diese Themen ausgerichtet ist.

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